Besatzung: Jörg, Dietrich und Mirco
Cuxhaven Samstag 7. August 13:00Uhr - Sonnenschein kein Wind leichter mitlaufender Strom. Wir Motoren unter Segel die Elbe heraus. Später hatte der Wind auch ein wenig Lust uns anzutreiben, doch ohne Motorunterstützung reichte es nicht um ordentlich voranzukommen.

Im Laufe der nächsten Stunden entwickelten sich mehrere Regen und Gewitterzellen vor der Küste. Dies veranlasste uns erst die erste Zelle abzuwarten und dann zwischen den Zellen hindurchzufahren. Nach etwas Regen folgte direkt freundlicher Himmel mit Sonnenschein. Doch das hielt nicht lange an, es brauten sich weitere Regengebiete teilweise mit Gewittern zusammen. Somit mussten wir leider auch die eine oder andere Zelle durchfahren. Der Wind nahm zu, nahm ab und drehte auch gerne mal um 180°, wie er gerade Lust hatte.
Gegen Abend wurde es jedoch nochmal schön mit angenehmen 10 kt. Segelwind an der Kreuz mit leichten Wellen und Abendrot. Dazu kredenzte Jörg uns ein nahrhaftes Abendmahl, sodass wir die Nacht auch gut überstehen konnten.

Die Nacht gestaltete sich ruhig wie der Abend und wurde von den Lichtern der Windparks und der südlich von uns liegenden Inseln erleuchtet. Mit etwas Glück konnte man auch ein paar Sternschnuppen durch die Wolkenlöcher am dort klaren Sternenhimmel sehen. In der Nacht hatten wir den Großteil der deutschen Nordseeinseln auf unserer Route passiert und entschieden uns gegen einen Zwischenstopp auf Borkum, denn zwei verschiedene Wetterberichte zeigten für den Sonntag gute Bedingungen mit SW Wind mit max. 20-24kt bei 1 m Welle. Damit würde dann die weitere Fahrt auch noch ein Stück schneller gehen. Die Richtung sollte jedoch etwas mehr auf Südwest drehen, sodass wir zum Schluss kreuzen würden.
Zum Morgen nahm der Wind wie angesagt weiter zu. Nach dem Frühstück wurde die angesagte Windstärke auch erreicht und die Welle baute sich zunehmend auf, sodass bald das Kaffeetrinken mit Krängung, Wind und Wellen zu einer kleinen Herausforderung wurden.
Mittlerweile mussten wir aufgrund des Winddrehers an den langen Inseln Ameland und Terschelling merklich kreuzen. Die Welle, die gegen uns lief machte es nicht einfacher allerdings schob uns noch der Strom des ablaufenden Wassers. Wir fuhren lange Schläge zwischen Inseln und Verkehrstrennungsgebiet und der Wind nahm weiter zu. Zum Sonntagmittag überstieg der Wind die angesagten Windgeschwindigkeiten und erreichte die 30 kt. Da hatten wir das Großsegel schon im zweiten Reff.
Während wir vor Ameland bis hin zum Verkehrstrennungsgebiet kreuzten hatte offensichtlich ein Hochseeschlepper der Niederländischen Küstenwache auf dem Radar und nahm Kurs auf uns, dem einzigen Schiff in der Nähe. Als der Abstand so gering war, dass wir die Besatzung auf der Brücke sehen konnten, funkte uns der Schlepper an und wollte einige Fragen beantwortet haben u.a. Wie viele Personen an Bord sind, ob wir etwas zu verzollen hätten und ob es allen gut ginge. Doch die Fragen waren bei den Windgeräuschen kaum zu verstehen, sodass sich diese Prozedur auf dem Amwindkurs gegen die Welle und Strom hin zog.
Nach dieser kleinen Ablenkung merkten wir, dass der Wind und die Wellen weiter zunahmen und der korrigierte Wetterbericht 30kts bei 2,2m Welle angab. Auch diese Angaben wurden schon bald übertroffen und wir mussten unsere Fock einrollen, da der Wind zu stark für das Material war.
Also liefen wir nun nur mit Groß an der Kreuz, dass brachte uns mit dem mittlerweile gekenterten Strom, der dann gegen uns lief, allerdings nicht genug Höhe um die Untiefen vor Terschelling zu umfahren. Wir entschlossen uns dann mit Motorunterstützung und dem Großsegel weiter zu fahren. Damit waren wir dann auch schneller, und fuhren letztlich unter Motor nahezu parallel entlang Terschelling. Doch dann schien es als wäre eine Leine am Heck oder nicht? Doch! Aber nach der dritten Welle war sie nicht mehr gesehen. In unserem Cockpit waren alle Leinen dort wo sie sein sollten. Uns viel auf, dass wir keine Weiß-Blaue Leine im Cockpit haben, die gelegentlich im Wasser zu sehen war. Kurze Zeit später schwamm etwas hinter uns auf und zog Luftblasen durch das Wasser Abstand von 2-3m hinter uns. Und tauchte im Wellental wieder ab. Auch das war wieder drei Mal zu sehen. Und dann war es wieder weg. Alles sehr merkwürdig.
Nach wenigen Minuten ging plötzlich der Motor aus.
Starten des Motors funktionierte, beim Einlegen des Vorwärts oder Rückwärtsgang blieb die Maschine allerdings sofort stehen. Wir hatten etwas in der Schraube. Als wir dann nur unter Groß erstmal weiterfuhren und das Schlauchboot auf dem Bug nochmal nachgesichert wurde viel auf, dass unser Anker nicht mehr am Bug hing aber die Ankerleine noch da war.
Wir hatten unseren Anker der mit einem Drehbolzen gesichert war verloren. Seitdem es das Schiff gibt, hat sich die Sicherung nie gelöst. Die Wellen der Nordsee waren einfach zu viel und lösten die Sicherung so, dass der Anker wohl mit einer Welle unbemerkt über Bord ging. Wir stellten fest, dass einige Meter Leine unter unserem Schiff hängen mussten und wir zusammen mit dem Anker einen geschätzten neuen Tiefgang von 4-5 Meter hatten.
Also kreuzten wir unter gerefften Großsegel im tiefen Wasser vor Terschelling auf und ab. Dabei überlegten wir, welche Möglichkeiten wir nun hatte. Denn mit nur gerefftem Groß bei mittlerweile Böen über 40kt, einem Anker im Wasser der uns bremst, Welle und Strom gegen unsere Fahrtrichtung, machten wir keine Höhe mehr gut.
Eine Möglichkeit war nun zu versuchen den Anker auf Kurs mit dem Wind guter Fahrt durchs Wasser zu bergen, jedoch birgt das ein großes Risiko mit fraglichem Erfolg. Zudem bliebe die Schraube blockiert und wir müssten unter Segel anlegen. In dem Fall wäre der nächstmögliche Hafen Borkum gewesen, also 8h Fahrt zurück. Der Wetterbericht kündigte auch noch bleibende Bedingungen an, sodass wir am nächsten Tag wieder diese Strecke zurück segeln müssen. Mit dem Anker im Wasser bliebe das Risiko , dass er in flacherem Wasser seine Aufgabe erfüllt und im Boden hängen bleibt. Im besten Fall würden wir einfach stehen bleiben, Im schlechtesten Fall könnte der Antriebe und Rumpf Schaden nehmen und Wassereinbruch herbeiführen.
Diese Umstände entschieden, dass wir die Seenotleitung (MRCC) Bremen der DGzRS benachrichtigten (https://www.seenotretter.de/notfall/) und über unseren Zustand berichten, sodass für den Notfall ein Schiff in der Nähe ist. Die Seenotleitung leitete unseren Vorfall direkt an die Seenotrettung der Niederland (KNRM) auf Terschelling weiter. Die Seenotrettungsstation Terschelling funkte uns an und informierte uns, dass sie ein Schiff schicken. Erstaunlicherweise war innerhalb von kurzer Zeit zu sehen, dass punktuell viel Gischt aufschlug, das war ein Schiff der KNRM und dahinter ein weiteres. Sie umfuhren uns und wir besprachen über Funk die Problematik. Ein Seenotretter kam zu uns an Bord und lotste uns direkt in ruhiges Wasser – in die Untiefen. Es war schon merkwürdig nach seinen Anweisungen direkt auf die Sandbänke zuzusteuern. Nur eine Bootslänge vor dem sichtbaren Sand – aber bei einer Wassertiefe von 8!!! Metern, bargen wir das Großsegel, während das Rettungsboot die Schleppleine übergab.

Die Jungs wussten was sie taten, direkt an der Sandbank gab es eine nicht betonnte Fahrrinne in Richtung Hafen.
Dort sollte uns ein Taucher die Leine entfernen, aber wir lehnten ab und Dietrich sprang ins Wasser um das zu erledigen. Die etwas verwunderten Seenotretter wollten noch wissen, wo er seine Tauchflaschen habe, aber vor der Antwort war er schon im Wasser. Wir konnten uns bei glatten Wasser uns wieder klarieren und die Leine vom Antrieb und vom Kiel befreien. Nach etwas Papierkram und einer kleinen Stärkung fuhren wir unter Motor weiter bis nach Harlingen, wo wir gegen 23:30 an einem Plattbodenschiff festmachten, der uns dann auch die frohe Nachricht überbrachte, dass wir nicht ausschlafen können, da er früh ablegen wollte. Nach einer warmen Dusche und einer guten Nacht bei uns allen fuhren wir am Montagmorgen zur Schleuse Kornwerdersand um ins Ijsselmeer zu fahren. Über die Nacht nahm der Wind auf verhältnismäßig ruhige 20kt ab. Im Schleusenvorhafen wechselten wir noch kurz die Fock und segelten unter gerefftem Groß und Fock gen Ketelmeer. Es war zumindest ruhiger als am Vortag. Allerdings wollten Schauer und Regen uns nicht in Ruhe lassen. Es bildeten sich erneut schauergebiete und eine ganze Zeit lang war an Backbord von uns nahe Land ein Regengebiet. Plötzlich war vor uns eine Linie im Wassergezeichnet, hinter der das Wasser matt und weißlich schien – der Regen schien sehr stark und dicht zu sein. Das war er auch. Viel überraschender war, dass innerhalb von 3 Sekunden wieder 30kts an der Windmessanlage standen. In der langen nachmittäglichen Bedienpause erreichten wir die Ketelbrug. Wir hatten nun noch eine Stunde Zeit, bis die Brücke öffnete und nutzten diese um das Schiff zu klarieren.
Das waren drei Tage mit vielen Überraschungen und vielleicht gerade deswegen ein besonderer Überführungstörn.
Mirco Gantenberg
